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Umgang mit narzisstischen Klienten: Klare Grenzen und empathische Führung

Der Umgang mit narzisstischen Persönlichkeiten in der Therapie erfordert ein besonderes Maß an Klarheit, Standhaftigkeit und Einfühlungsvermögen. Narzisstische Klienten suchen oft nach Anerkennung, kämpfen mit Nähe-Distanz-Schwankungen und testen die Grenzen ihres Gegenübers. Um eine konstruktive Arbeitsbeziehung zu ermöglichen, ist es entscheidend, eine klare Strategie zu verfolgen.

1. Klare Grenzen setzen

Narzisstische Klienten testen oft, wie weit sie gehen können – sei es in Bezug auf Regeln, Nähe-Distanz-Regulation oder soziale Dominanz.

Strategie:

  • Von Beginn an eine klare Rahmung vorgeben (z. B. "In meiner Praxis halte ich es so, dass...").

  • Konsequenz bewahren, wenn Grenzen ausgetestet werden.

  • Keine Sonderbehandlung gewähren, sondern gleiche Regeln für alle anwenden.

Beispiel: Falls der Patient versucht, Kommunikationsregeln zu verändern, kannst du höflich, aber bestimmt darauf hinweisen, dass du einen festen Rahmen hast.

2. Nicht in Statusspiele verstricken lassen

Viele narzisstische Klienten versuchen, sich durch Dominanz oder Statussignale über andere zu stellen. Das kann durch subtile Abwertungen, Übertreibungen eigener Leistungen oder durch das Testen der Autorität geschehen.

Strategie:

  • Gelassen bleiben, nicht in Machtspiele einsteigen.

  • Nicht auf Prahlerei oder Vergleiche reagieren, sondern neutral bleiben.

  • Die Bedeutung des eigenen Status minimieren, um nicht in eine Konkurrenzdynamik zu geraten.

Beispiel: Falls der Klient betont, wie erfolgreich oder besonders er sei, kannst du wertfrei darauf eingehen: "Das scheint Ihnen sehr wichtig zu sein." Statt mitzuwerten oder zu widersprechen.

3. Indirekt zur Selbstreflexion anregen

Direkte Konfrontationen führen bei narzisstischen Klienten oft zu Abwehr oder Kränkung. Eine sanfte, indirekte Spiegelung kann effektiver sein.

Strategie:

  • Fragen stellen, anstatt direkt zu widersprechen.

  • Neugierig und phänomenologisch bleiben.

  • Narrative nutzen, um unbewusste Muster zu thematisieren.

Beispiel: Statt zu sagen "Sie haben ein großes Bedürfnis nach Kontrolle", kannst du fragen:

  • "Wie erleben Sie es, wenn Dinge nicht nach Ihren Vorstellungen laufen?"

  • "Wie reagieren Menschen in Ihrem Umfeld darauf?"

4. Emotionale Versorgung begrenzen

Narzisstische Persönlichkeiten suchen oft Bewunderung und emotionale Bestätigung. Wenn du zu viel darauf eingehst, kann eine Co-Abhängigkeit entstehen.

Strategie:

  • Kein übermäßiges Bestärken oder Lob geben.

  • Erfolge anerkennen, aber nicht idealisieren.

  • Emotionale Regulation nicht vollständig übernehmen.

Beispiel: Falls er nach Bestätigung sucht ("Ich mache das doch besser als andere, oder?"), kannst du neutral bleiben: "Es klingt, als wäre Ihnen diese Frage besonders wichtig."

5. Ambivalenz in der Nähe-Distanz-Regulation beachten

Narzisstische Klienten schwanken oft zwischen Nähe und Distanz. Sie suchen einerseits Bewunderung, andererseits wollen sie Kontrolle über die Beziehung behalten.

Strategie:

  • Langsam Nähe aufbauen und auf plötzliche Distanzierungen vorbereitet sein.

  • Nicht von einer starken Anfangsbegeisterung blenden lassen (oft gibt es einen späteren "Abwertungszyklus").

  • Ruhe bewahren, wenn der Klient sich abwertend oder ungeduldig äußert.

Beispiel: Falls er anfangs sehr positiv ist und später kritischer oder distanzierter wird, könnte das ein zyklisches Muster sein, das reflektiert werden kann.

6. Umgang mit narzisstischer Kränkung

Narzisstische Klienten können sehr empfindlich auf vermeintliche Kränkungen reagieren, was zu plötzlichen Stimmungsschwankungen oder Rückzug führen kann.

Strategie:

  • Vermeiden, sie direkt bloßzustellen oder ins Unrecht zu setzen.

  • Negative Reaktionen als Schutzmechanismus sehen und nicht persönlich nehmen.

  • Bei Kränkung nachfragen, was genau getroffen hat, anstatt es zu verteidigen.

Beispiel: Falls der Klient auf eine neutrale Aussage emotional reagiert, kannst du fragen:

  • "Was hat Sie an meiner Aussage besonders irritiert?"

Fazit: „Versorgen“ ohne in die Falle zu tappen

Narzisstische Persönlichkeiten brauchen eine klare, aber empathische Führung. Sie können gut begleitet werden, wenn:

✅ Der Rahmen klar bleibt und nicht nach ihren Regeln verändert wird.

✅ Du Status-Spiele ignorierst und dich nicht auf Machtkämpfe einlässt.

✅ Du Reflexion statt Bewunderung anbietest und nicht zu viel Bestätigung gibst.

✅ Du sie nicht entwertest, aber auch nicht idealisierst.

✅ Du auf Kränkungen bedacht bist, ohne nachzugeben.

Besonders in der Therapie: Narzisstische Klienten brauchen oft einen langen Prozess, bis sie sich auf tiefere Selbstreflexion einlassen können. Wenn du ruhig, konsequent und professionell bleibst, kannst du ihnen eine wertvolle Entwicklungsfläche bieten.

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